HT311 - merkwürdiges Gebilde

ID: 157543
Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

HT311 - merkwürdiges Gebilde 
29.Jan.08 09:43
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

In einem Röhrenkarton fand ich beim sortieren ein Gebilde, dass so gar nicht nach "Röhre" aussah, aber immerhin einen Sockel der Stahlröhren besaß.

Nach genauerer Untersuchung ließ sich der rechte Teil aus dem "labormäßig" gebauten Fassungsgebilde herausziehen.

Ein solches "koaxiales Etwas" hatte ich bisher noch nie im Original gesehen und es erweckte daher meine Neugierde. Es muss doch sicher etwas mit "Röhre" zu tun haben.
Als Kennzeichnung konnte ich mühsam die Buchstaben HT ..11 auf dem schwarz gewordenen Silberbelag der reichlich vorhandenen Metallteile erkennen.

Ein Aufruf in der Röhrenmaske des RM mit "HT" brachte mir dann den Typ "HT311" als mögliche Lösung. In meinem "RFT-Röhrentaschenbuch Spezialröhren 1966/67" fand ich dann auch entsprechende Angaben, die auch hier im RM vorhanden sind.  Allerdings scheint man dieser Dezimeterwellen-Triode des Kühlkörpers an der Anode beraubt zu haben.

Bis 1961 wurde diese Röhre noch als LD12 (Telefunken) bei WF (Werk für Fernsehelektronik Berlin) gebaut und ist auch in den RFT-Röhrenbüchern als solche zu finden.

Ich frage mich aber, was dieses gesamte Bauteil für einen Sinn gehabt haben mag?
Man entdeckt im Inneren des zusammengesetzten Pertinaxkörpers Fassungsteile für die Aufnahme der koaxial gebauten Röhre.

 

In dieser Bauform wird es aber kaum für Dezimeterwellen geeignet sein.....
Ist es vielleicht nur ein Prüfadapter zur einfachen statischen Kontrolle einer solchen Röhre?
Ich habe es auf meinem Funke W18 mal ausprobiert und sogar eine prinzipielle Funktion der vorhandenen Röhre mit Steuerwirkung nachweisen können.

Wer wird so etwas verwendet haben? Ein normaler Radioamateur doch sicher nicht? Vielleicht ist es ein provisorischer Prüfaufbau aus einem HF-Labor?

Vielleicht gibt es einen Kenner dieser Technik, der etwas dazu weiß.
Ich hoffe aber, dass ich diese Röhre richtig identifiziert habe als HT311. Deshalb habe ich den Beitrag auch bei dem Röhrenmodell eingestellt.

Auf Antwort freut sich

Wolfgang Eckardt
 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Koaxialadapter auf Stahlfassung (HT311) 
29.Jan.08 10:30

Eilert Menke (D)
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Hallo Wolfgang,

es könnte sich durchaus auch um den Eigenbau eines Funkamateurs handeln. Die Typen HT311, HT323, LD12 u.s.w. sind vergleichbar mit der westlichen 2C39. Diese Röhren wurden oft, auch in Parallelbetrieb, für 70 cm und 23 cm AFu-Anwendungen in selbstgebauten Leistungsverstärkern eingesetzt. Es könnte ja sein, daß jemand damit herausfinden wollte, ob a) die Röhre noch brauchbar ist und/oder b) bei Parallelbetrieb mehrere mit gleichen Daten aus der streuenden Masse herauszufiltern. Diese Röhren gelangten nämlich nur als Gebrauchtware in Amateurhände (da ursprünglich nur für professionellen Einsatz in kleinen TV-Sendern, Richtfunkgeräten etc. gedacht; neu viel zu teuer). Ein Laboreinsatz in dieser Hinsicht käme natürlich auch in Frage, da der hier betriebene Aufwand für eine gelegentliche Röhrenprüfung doch unangemessen hoch erscheint.

Aber vielleicht ist es auch das Machwerk eines Freaks, der damit eine NF-Röhre ersetzen wollte :-)  Der Adapter ist handwerklich jedenfalls gut ausgeführt. Genau werden wir es wohl nie erfahren.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Dank für Antworten 
29.Jan.08 20:56

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Ich möchte mich bei den Antwortgebern bedanken, schließlich bin ich etwas schlauer geworden.

Besondern Dank an ´Herrn Kull, der mir eine E-Mail mit folgendem Inhalt schrieb:



Sehr geehrter Herr Eckardt,

bei der HT331 handelt es sich wie z.B. bei der späteren 2C39Ba um eine Scheibentriode in einem Metall-Keramik-Röhrenkörper. Diese Scheibentrioden sind so konstruiert, dass sie in entsprechenden Topfkreisen betrieben werden können. D.h. die Röhre sitzt in in einem abstimmbaren Topf, der direkt mit dem  Hohlleiter zur Antenne verbunden ist.
Diese Systeme sind, da es sich um Präzisionsmechanik handeln muß, in der Herstellung sehr teuer, der Topfkreis muß in aller Regel mit einer starken Silberschicht versehen sein, die im Topfkreis integrierte  Röhrenfassung zur Aufnahme der Scheibentriode hat sogar häufig vergoldete Kontaktringe, die aus einer Vielzahl von Metallfedern bestehen.
Derartige Topfkreise wurden bei der Deutschen Bundespost bis in die 80er Jahre in Über-tragungseinrichtungen für Richtfunkstrecken verwendet. Ferner wurden diese Scheibentrioden kleinerer Leistung in Fernsehumsetzer in Treiberstufen verwendet. Die Kühlkörper wurden meistens auf die eigentliche Scheibentriode aufgeschraubt.

Die Ihnen vorliegende Röhre HT311 hat offensichtlich ein Funkamateur für Versuchszwecke bekommen. Diese Scheibentrioden werden im kommerziellen Bereich eine genau definierte Anzahl von Brennstunden eingesetzt und danach ausgesondert. D.h. aber nicht, dass die Röhren damit verbraucht sind. Nur hat der Funkamateur jetzt nicht den entsprechenden Topfkreis zum Betrieb der Röhre. Er mußte sich also einen Hohleiter bauen, in dem er die Röhre betreiben konnte. Die Röhre mußte dann in den Hohleiter eingepasst werde. Das sind die doch sauber bearbeiteten Pertinaxplatten.
Natürlich kann die Röhre so ohne Kühlkörper und ohne Zwangsbelüftung nicht mit voller Leistung betrieben werden, aber für Versuche im GHz-Bereich reicht das schon.
In einem HF-Labor hätte man reguläre Topfkreise verwendet, weil man da die Röhren unter Betriebsbedingungen testen können muß. Beim Meßplatz Fu des ehemaligen Fernmeldeamtes 1 Stuttgart gab es frührer Prüfaufbauten mit den verschiedenen Topfkreisen für die eingesetzten Röhren um Messungen unter Betriebsbedingungen durchführen zu können. Statische Messungen machen bei diesen Frequenzbereichen keinen Sinn mehr.

mit freundlichen Grüßen
Eckhard Kull


Diese aufschlussreichen Erläuterungen möchte ich anderen Interessenten nicht vorenthalten.

W.E.

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