Mittelwellen- Rundfunksender in der Oberlausitz

7
ID: 364834
Mittelwellen- Rundfunksender in der Oberlausitz  
14.Dec.14 17:24
3285
7

Wolfgang Lill (D)
Redakteur
Beiträge: 1204
Anzahl Danke: 34
Wolfgang Lill

Neben dem bereits bekannten Sender Reichenbach /Oberlausitz existierten fünf weitere Mittelwellen- Rundfunksender in dieser Region.

Im Jahre 1976 schloß der Volkseigene Aussenhandelsbetrieb Elektrotechnik Export- Import Berlin, Alexanderplatz 8 mit dem tschechoslowakischen Aussenhandelspartner KOVO Prag einen Vertrag über die Lieferung von insgesamt 34 Stück Sendeanlagen , Hersteller Firma Tesla.

Es handelt sich um Transistorsender der Type SRV 1T, einschließlich Container, Antenne und Zubehör.

Von diesem Kontigent wurden 5 Standorte in der Oberlausitz bestückt.

Aufgebaut wurden diese Sendeanlagen ( Lückenfüllsender) an den Standorten:

- An der Kirschallee in Kamenz , Schefflerwiese

- Neben dem GST Schießplatz An der Hummel in Bautzen

-Auf dem Hainberg , Gemeinde Ebersbach, Oberlausitz

- In Neugersdorf in der Nähe des Wasserturmes

und

-in Eckartsberg bei Zittau in der Nähe der ehem. Eckardtsberger Grundschule, an der Feldstraße.

 

Alle fünf Sender sollten zu Ehren des Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland  am 7.November 1978 in Betrieb genommen werden.

 

Allerdings starten dann nicht alle pünktlich. Die Sächsische Zeitung vom 18.11.1978  veröffentlichte die aktuelle Liste der Sender , welche im Mittel- und Langwellenbereich im Bezirk Dresden zu empfangen sind:

Mittelwellensender Bautzen

Übertragen wurde das Programm Radio DDR 1.  Die Versorgung all dieser Sender erfolgte auf der Basis Ballempfang. In Bautzen , wo die Inbetriebnahme wie in der SächsischenZeitung angekündigt, am 23.11.1978 erfolgte, die Anlage jedoch schon ab 10/78 im Probebetrieb lief, schauen wir uns die Vorbereitung des Standortes mal etwas näher an.

Zunächst musste ein geeignetes Grundstück gefunden werden. Die Klärung der Rechtslage, Kauf, Pacht, Besitzer sind die Eheleute Rehnisch aus Seidau, welche das Land  der LPG Kleinförstgen zur Nutzung überlassen haben.  Zustimmung der zu hörenden Stellen... Standortzustimmung, Baugenehmigung....

In diesem Falle ist das Gelände etwa 2700 m² groß.Es wird rundum eingefriedet.

Die Investitionssumme beläuft sich auf knapp 300 000 DDR Mark, wobei 50.000 Mark für Planungsaufgaben ( Rundfunk und Fernsehtechnisches Zentralamt, Projektierungsabteilung) bauliche Maßnahmen  wie Fundament des Sendecontainers,  Zuführung von Elektroenergie, Einfriedung, Zufahrt usw , Aufbau des 36 m hohen Stahlgittermastes mit Abspannweite 30 m    ( 4 -fach abgespannt), Erdnetz mit 25 Stück Strahlenerder ca 15 cm tief bis Zaungrenze verlegt, verwendet wurden.

Der Kauf der Anlage, also Sender im Container, Stahlgittermast und Zubehör einschl Montage durch TESLA kostete 165000 Valutamark ( RGW- Verrechnung).

Hier ein Foto von der Elektrozuführung über Freileitung. (Der Mast im Hintergrund ist ein 2013 errichteter Mast der die Mobilfunkübertragung von Eplus sichert ).

Genau mit dem Lageplan stimmt die Stelle überein, wo das Elt- Erdkabel in den Container hineinführte.

Die Einfriedung des Geländes ist auch heute noch teilweise erhalten.

 

Hier ein Prospektbild von dem Sender Tesla SRV 1T

Die Versorgung des Senders erfolgt über Ballempfang . Muttersender Dresden UKW 95,4 MHz. Empfang mit 3-Element- Antenne in 3 m Höhe.

Der Mast und der Container wurden Anfang 1992 abgebaut. Die Ausstrahlung des Füllsenders, zuletzt Programm des MDR auf 1602 KHz endete offiziell mit dem Jahreswechsel 1991/92. Damals kam es jedoch auf ein paar Tage nicht an. Eine exakte Zeit für die Abschaltung ist nicht überliefert.

Damit konnte der Ballungsraum Bautzen sauber mit dem Mittelwellenprogramm von Radio DDR1 versorgt werden, da der zuständige Sender Wilsdruff 1044 KHz , 250 KW  doch hier manchmal durch andere Sender , vor allem in den Nachtstunden, gestört wurde.

Andererseits sicherte sich die DDR durch Belegung mit diesem Regionalsender die zugeteilte Frequenz 1602 KHz

Mitttelwellensender Kamenz

In Kamenz selbst sieht man nichts mehr von ehemaligen baulichen Anlagen. Auch dort wurde auf der Schefflerwiese ( Richtung Hutberg) allerdings pünktlich die Sendeanlage am 07.11.1978 auf 1485 Khz in Betrieb genommen.  Dieser Standort ist nicht weit vom heutigen Hochbehälter des Wasserwerkes entfernt. Von hier hat man einen schönen Blick auf das historische Zentrum der Stadt Kamenz.

Hier stand die Sendeanlage.

Der Kamenzer Sender hatte oben an der Mastspitze eine Hindernisbefeuerung

Mit freundlicher Genehmigung des Fotoeigentümers oberes und unteres Bild.

Auch die Sächsische Zeitung, Regionalausgabe Kamenz, veröffentlichte dazu am 28.09.1978 einen Beitrag mit Foto. Der ehemalige Kreisredakteur Herr Lothar Schöppe hat damals dieses Foto gemacht und den Artikel geschrieben. Er hat mir für dies zur Veröffentlichung im RM freigegeben:

Allerdings gab es gleich bei Inbetriebnahme Aufregung. Aus sämtlichen Telefonhörern bis hin zum Rathaus, erklang das Programm von Radio DDR1 . Fachleute arbeiteten tagelang an der Entstörung ( Abschirmung)  der Anlagen.

Dem Sender selbst war nur ein kurzes Leben beschieden, denn ein Blitz schlug in den Mast und zerstörte die Anlage.1983 ist in der Ortschronik zu lesen, das der Sender nicht wieder in Betrieb gehen wird und dessen Abbau erfolgt. Das wurde allerdings mit großer Gründlichkeit getan, ich fand keine Spuren mehr von dieser Anlage vor Ort.

Sicher war  hier die Erkenntnis gereift, das der Regionalsender aufgrund der geringen Entfernung zum 250 KW- Sender Wilsdruff  nicht notwendig ist.

Mittelwellensender Ebersbach

Weiter geht unsere Reise zum nächsten Senderstandort nach Ebersbach auf den 400 m hohen Hainberg.

Auf dem Gipfel erwartete seit 1868 eine Gastwirtschaft  seine Wanderer. Seit 1998 erwartet ein nettes Hotel mit Restaurant seine Gäste, die heute auch bis zum Gipfel fahren können.

Auch hier begann im Frühjahr 1978 emsige Bautätigkeit, es wurde eingefriedet und eine Baustraße angelegt, die Elektroleitung verlegt und am 7.November 1978 nahm pünklich der 1KW Sender in dem 50 x 49 m großen Grundstück seinen Betrieb auf.

Auch hierfür wurden 291,110 DDR- Mark aufgewendet.

Im Jahre 1980 fotografierte Dr. Christian Kretschmar den Sendemast weniger aus technischem sondern mehr aus ornithologischem Interesse.

Ein Storchenpaar schickte sich an, auf der Dachkapazität ein Nest zu bauen.

Auch hier gab es Aufregung im benachbarten Kreiskrankenhaus Ebersbach. Das telefonieren ohne Radio DDR1 war nun nicht mehr möglich. Auch hier rückten Techniker an und schirmten es ab, so gut es ging.

Leider gibt es keine eindeutige Information zur Frequenz des Senders, es war nach inzwischen bestätigten Angaben 1584 KHz.  

Der Sender sendete ebenso nach 1990  und wurde im Frühjahr 1992 abgebaut.

Im Sommer 1992 sind nur noch Fundamentreste von der ehemaligen Sendeanlage übrig, im Hintergrund das Gasthaus noch vor dem Umbau

Auch heute ist auf dem Hainberg

noch rege Funktätigkeit. Der Privatsender RSA sendet von hier auf 106,1 MHz...und ist damit in Ebersbach und Umgebung der Favorit in der Hörergunst. Sendeleistung 500 Watt.

Ein zweiter Mast versorgt u.a Feuerwehr und Krankentransport .

Ein Wahrzeichen der Adlerschützengesellschaft ist die Adlerstange, welche in dieser Form seit 1936 auf dem Berggipfel steht. Jährlich wird hier der Schützenkönig ausgeschossen.

 

Also gibt es viele Gründe, mal diesen Gipfel zu besuchen.

Mittelwellensender Neugersdorf

Nicht weit entfernt, etwa 6 Km Luftlinie trennen den nächsten Mittelwellensender von dem auf dem Hainberg, er befand sich in Neugersdorf unweit vom Wasserturm

in 465 m Höhe. Genaue Standortbezeichnung: An der Försterei

Diese Fotos stammen von einem Anwohner ( vielen Dank ) . Sie zeigen den Container sowie den Stahlgittermast bei der Demontage am 17.02.1992.

Der 1 KW Sender in Neugersdorf sendete anfangs auf 522 KHz ( da nach Aufnahme des Sendebetriebes am 7.11.1978 Beschwerden tschechischer Anwohner wegen Störungen eingingen , deren Ursache ich jedoch nicht in Erfahrung bringen konnte), wurde die Frequenz auf 1602 KHz geändert.

Auch dieser Sender ging am Jahresende 1991 ausser Betrieb.

Das Grundstück ist heute mit einem schicken Einfamilienhaus bebaut , der Besitzer ließ jedoch einen Teil der ursprünglichen Einfriedung stehen.

So bleibt ein Hauch von damals erhalten.

Mittelwellensender Eckardtsberg ( bei Zittau)

In der südöstlichsten Ecke Deutschlands, im sogenannten Dreiländereck, auch dort wurde auf dem Flurstück 220, damaliger Eigentümer Erwin Rehnisch, eine solche 1 KW Kleinsenderanlage aufgebaut, Sendefrequenz 1485 KHz.

Auf dem insgesamt 2750 m² großen Grundstück wurde ebenfalls der Sendecontainer mit dem Stahlgittermast, Abspannweite 30 m, , 4-fach abgespannt, aufgebaut und Anfang November 1978 in Betrieb genommen.

Fotos wurden von Herrn Rehnisch aus Eckardtsberg freundlicherweise zur Verfügung gestellt( ca 1980)

 

Hier ein Bild von der benachbarten Schule an der Feldstraße in Eckardtsberg

Vom Investitionsaufwand war dieser Standort der günstigste mit 288000 Mark der DDR, ich gehe davon aus, das der Straßenanschluß

vorhanden war und auch der Eltanschluß nicht gesondert verlegt werden musste.

Dietmar Ullrich schickte mir ein Foto vom jetzt vorhandenen UKW Sender der Zittau und Umgebung versorgt, dort sind 4 Programme des MDR mit Sendeleistungen zwischen 200 und 500 Watt installiert.

 

Liebe Leser . Ich suche noch dringend ein Bild vom Sender An der Hummel in Bautzen und wenn es jemand noch irgendwo im Fotoalbum hat, auch von der Anlage in Neugersdorf. Wer helfen kann, bitte melden Tel: 01777623324

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Mittelwellen- Rundfunksender in der Oberlausitz 
20.Feb.17 08:18
3285 from 9505

Wolfgang Lill (D)
Redakteur
Beiträge: 1204
Anzahl Danke: 29
Wolfgang Lill

Herr Ronny Funk aus Kamenz hat den MW- Sender Kamenz korrigiert. Vielen Dank. Hier seine Infos dazu und ein ganz großes Dankeschön !

Die beiden Farbfotos von www senderfotos-bb.de
(Stahlgittermast in Verwendung von Telefonica (E1-Netz) + 2x UKW-Kleinsender für R.SA und MDR aktuell)
gehören nicht zum Standort des ehemaligen Mittelwellensendemastes.
Dieser heutige Mast steht an anderer Stelle in Kamenz .

Hier die aktuellen Frequenzen dieses Senders:

93.9 MHz        MDR Aktuell
106.2 MHz      R.SA

Foto von www Senderfotos.de , vielen Dank. Hier ist der Standort in Kamenz, Am Schwarzen Weg 23, noch besser zu erkennen.


Der historische Mittelwellensender Kamenz hatte eine Doppelfunktion.
Der Mittelwellensender diente neben der Rundfunkversorgung auch als ungerichtetes Mittelwellenfunkfeuer
für die Flugnavigation rund um den militärischen Ausbildungsflugplatz Kamenz.
Das ist u.a. auch daran zu erkennen das der historisch bestätigte Senderstandort am heutigen Wasserhochbehälter
in der gedachten Verlängerung der Kamenzer Landebahn (etwa Richtung 213°)
mit einem Abstand zwischen 4 und 5 km liegt.

Da Rundfunksender deutliche Nachteile
in der Verwendung mit einem bordgestützten Radiokompass besitzen
(z.B. keine zyklische Kennungsausstrahlung in Morsetelegrafie zur eindeutigen Identifikation).
wurden in der Luftfahrt mehr kleineren, speziell aufgestellten, ungerichteten Funkfeuern (sogennante NDB's),
vielfach im quasi exclusiven Frequenzbereich 280 bis 500 kHz der Vorzug gegeben.

Zur Verbesserung der Navigationverfahren rund um den Flugplatz Kamenz
(sicherlich auch weil die Frequenz 1485 kHz im Nahbereich mit Zittau doppelt belegt war und deutlich Peilfehler auftraten)
entstand nördöstlich von Kamenz (bei Milstrich) ein speziell auf Luftfahrtbedürfnisse zugeschnittenes Funkfeuer auf 413 kHz (Kennung KZ).
Der genaue Aufbauzeitpunkt ist mir nicht bekannt, nach Hörensagen soll dieses Anfang der 1980er Jahr aber in Betrieb gewesen sein.
Zusätzlich stand ca. 1400m vor dem Flugplatz (bei Schiedel) ein weiteres Funkfeuer 840 kHz (Kennung K).

Aus heutiger Sicht war 1983 der Wert des Mittelwellenradiosender Kamenz für Flugnavigationaufgaben sehr gering
- lediglich wertvoll wenn man Flugschüler stressen wollte ... :)
und somit gab es offensichtlich keinen zwingenden Grund diesen nach dem Blitzschlagschaden wieder aufzubauen.
Die frequenzrechtliche Sicherung der 1485 kHz wurde ja durch Zittau gewährleistet

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.