Nordmende UKW Tuner ECC85 Temperaturdrift Oszillator

ID: 274608
? Nordmende UKW Tuner ECC85 Temperaturdrift Oszillator 
02.Jan.12 02:10
47

Wolfgang Pamler (D)
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Hallo Radiogemeinde

 

Ich laufe schon seit einiger Zeit einem Temperaturproblem bei Nordemde UKW Tuner (Bauzeit Ende 50er Anfang 60er) hinterher.

Der Schaltungsaufbau ist in dem angehängtem Bild zu sehen.

Der Drehkondensator ist mit einem 30pF/N033 Rohrkondensator in Reihe geschaltet. Der Schwingkreis selber ist mit einem 10pF/N075 Kondensator an die Röhre ECC85 gekoppelt.

Mittlerweile habe ich einige dieser UKW Bausteine getestet und konnte immer eine sehr starkes nach oben wegdriften der Oszillatorfrequenz feststellen. Nach ca. 1h war die Oszillatorfrequenz mehr als 40kHz  über dem "Einschaltwert" bei einer Minute. Innerhalb der ersten 5 bis 10 Minuten fällt die Oszillatorfrequenz bis zu 25kHz nach unten ab und steigt dann kontinuierlich an. Für den Betrieb würde das ein häufiges Nachstellen des Senders bedeuten.

Die Versuche habe ich mit den verschiedensten ECC85 Typen, auch sog. NOS Typen gemacht, das Verhalten war prinzipiell immer das gleiche. Die ECC85 Röhren als Verursacher der starken Frequenzdrift schließe ich damit aus.

Bei den Versuchen wurde mit stabilisierten Versorgungsspannungen gearbeitet, ein wesentlicher Einfluß auf die Oszillatordift kann damit ausgeschlossen werden.

Als Vergleich habe ich einmal einen Grundig 3043 mit ECC85 angeschaut. Hier war innerhalbe einer Stunde die maximale Drift vom Minimum aus gerechnet 25kHz am unteren Bandende. Bei Bandmitte und am oberen Bandende war die Drift noch geringer.

Laut Literatur sind Keramikkondensatoren sehr alterungsbeständig; deswegen würde ich die Kondensatoren ausschließen.

Weil alle getesteten UKW Tuner das prinzipiell selbe Verhalten zeigen, habe ich bisher keinen Kreuzverbau von Kondensatoren in den Tunern gemacht.

Hat jemand im Radiomuseum ähnliche Erfahrung mit stark driftenden Nordmende UKW Tunern gemacht?

Gibt es seltene oder ungewöhnliche Materialsalterungserscheinungen bei Keramikkondensatoren oder Spulenkernen?

 

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Kältespray 
02.Jan.12 09:08
47 de 7633

Georg Beckmann (D)
Redakteur
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Georg Beckmann

Hallo Herr Palmer,

es gibt ja recht wenig Bauteile, welche die Frequenz des Oszillators bestimmern. Prüfen Sie
doch einmal die Kondensatoren und ggf. Kerne mit etwas Kältespray. Möglicher Weise ist es ja auch eine schlechte oder oxidierte Verbindung in so einem Trimmer oder sogar dem Drehko. Nach jedem Versuch mit Kältespray sollte etwas gewartet werden, damit eine Betauung verhindert wird. Sonst könnten die Wassertröpfchen die Frequenz ebenfalls beeinflussen. Wenn Sie ein Bauteil in Verdacht haben, können Sie ja die Gegenprobe mit der Lötkolbenspitze machen.

 

Gruß

 

Georg Beckmann

VORSICHT: manche dieser Kältesprays sind brennbar, weil das zwischenzeitlich verbotene FCKW durch Butangas ersetzt wurde. Es gibt aber auch wieder bessere Sprays die weniger brennbar sind.

z.B Kontakt Chemie 'Kälte Super Typ 848 ..

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Nordmende UKW Tunder ECC85 Temperaturdrift Oszillator 
02.Jan.12 15:57
142 de 7633

Wolfgang Pamler (D)
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Hallo Herr Beckmann

 

Vielen Dank für Ihren Kommentar.

Ich habe mit Kältespray, Lötkolben (Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur vom Lötzinn) und mit Heißluft versucht bei den Nordmende Tunern die Ursache für die Drift zu finden oder zu verstehen. Es war alles ohne Erfolg.

Sobald man mit einem Gegenstand in den Bereich des Oszillatorkreises kommt, gibt es eine Verstimmung um etliche 10kHz.

Beim Kältespray war es nie möglich gezielt nur ein Bauteil anzusprühen. Egal wie vorsichtig ich war und egal welches Bauteil ich erwischt habe, die Verstimmung war immer groß. Außerdem kondensiert beim Abkühlen die Luftfeuchte an den Bauteilen aus, so daß vermutlich eine Feuchtebenetzung an den Bauteilen bleibt die erst wieder allmählich verdunstet.

Beim Lötkolben muß man die Bauteile mechanisch kontaktieren. Das kann (neben einer großen Verstimmung) zum einen dazu führen, daß der Oszillator in wilde Schwingungen gerät mit irgendwelchen Nebeneffekten. Zum anderen verschiebt man manchmal die Bauteile etwas, so daß eine bleibende Verstimmung stattfindet.

Am geeignetsten ist noch die Verwendung von Heißluft, z.B. von einer Heißluft SMD Station. Mit einem Kunststoffschlauch auf der Düse kann man versuchen einzelne Bauteile anzuwärmen. Nachteil ist hier aber wie beim Kältespray, daß man auch Nachbarbauteile erwischt.

Zusammenfassend kann ich sagen, daß mit Wärme eine Frequenzänderung erzwungen werden kann, allerdings nur um ein paar kHz. Das ist insgesamt nicht der Effekt der beim Normalbetrieb beobachtet wird. Dieser Effekt ist aber auch zu erwarten, weil die Bauteile auch einen TK haben.

Ich möchte hier mal die bekannten TKs der Bauteile angeben (Bauteil Bezeichnungen anhand des beigefügten Ausschnitts. Der Aufbau ist über vielen Geräten wie z.B. Rigolleto, Parsifal, Carmen... gleich, die Nummerierung ändert sich)

Drehkondensator C61: Dielektrikum Luft, TK unbekannt vermutlich positiv Annahme anhand Literatur

Paralleltrimmer C63: Dielektrikum Luft, TK unbekannt vermutlich positiv  Annahme anhand Literatur

Serienkondensator Drehko C64: 30pF/N033 (bei meinen Testgeräten und den mir bekannten Schaltplänen sind 30pF verbaut, der Auszug aus dem Schaltplan stammt aus einem Forenbeitrag im Radiomuseum; es gibt wohl auch Varianten mit 40pF)

Koppelkondensator C68: 10pF/N075, hat Einfluß auf das Absinken der Oszillatorfrequenz in den ersten Minuten.

Cak C69: 7pF/NP0

Neutralisationsbrücke: C65= 10pF/N075, C66=7pF/NP0, C74=30pf/N033.

Über die Oszillatorspule L62/63 und den Keramiktrimmer C67 habe ich keine Angaben.

Anodenspannung Oszillatorsystem ca. 150V/5mA, R61=10kOhm (im angehängten Schaltplanauszug sind es 113V und 39kOhm, diese Variante hatte ich bisher praktisch noch nicht gesehen)

 

Im Zuge der ganzen Versuche habe ich auch Temperaturmessungen im eingebautem Tuner durchgeführt. Innerhalb von 2h steigt die Temperatur in der UKW Box von Raumtemperatur (17...22°C bei mir) ca. um 25°C. Innerhalb der ersten 15min gibt es eine Temperaturerhöhung von ca. 10°C. Danach wird der Temperaturanstieg langsamer (T-Kurve ähnelt einer Ladekurve). Eine Innentemperatur über 45°C habe ich bei meinen Versuchen nie bisher nicht gemessen.

Überschlägige Rechnungen mit einen TK von -33exp-6 und 25°C bringen eine Frequenzerhöhung von 11kHz. Das verwendete Modell besteht vereinfacht aus L63 (ohne Anzapfung, Induktivität abgeschätzt) C64 in Serie zu C61/C63. Die TKs von Spule und Drehko (müßte positiv sein) nicht berücksichtigt.

Viel Information über typisches Oszillatordriftverhalten bei Erwärmung habe ich bisher nicht gefunden. In einem RPB Band wird erwähnt, daß eine Drift von <30kHz vom Benutzer nicht wahrgenommen wird und Stand der Technik sein sollte. Meine Erfahrung mit dem Grundig 3043 bestätigt das, hier war die größte Drift am unteren Bandende innerhalb von einer Stunde +25kHz vom Minimum nach Einschalten aus gerechnet. Die Nordmende Geräte Ende der 50er würde ich auch dort erwarten. In den Empfängerberichten in der Funkschau konnte ich bisher auch nichts dazu finden. Bei den meisten anderen Geräten, die ich noch habe, ist im Tuner schon eine AFC Schaltung mit eingebaut.

 

Bei den Versuchen mit den Nordmendetunern sind mir noch zwei weitere Phänomene aufgefallen.

Wenn der Tuner ein paar Tage steht, ist die Oszillatorfrequenz bei 1 Minute nach dem Einschlaten bei unveränderten Betriebsspannungen um 30...40kHz unter dem Vortageswerten. Die Drift der Oszillatorfrequenz ist dann auch stärker als an den Tagen vorher, d.h. der Tuner holt auf. Nach 1...1,5h ist die Oszillatorfrequenz wieder in dem Bereich wie vorher. Eine mögliche Erklärung wäre hier die Änderung der Luftfeuchte im Raum, bzw. das die Bauteile im Tuner Feuchte gezogen haben und bei Betrieb ausheizen und bei längerem Stillstand wieder Feuchte ziehen. Die beobachteten Luftfeuchteschwankungen sind um die 20%, weil manchmal Wäsche aufgehängt wird. Einen richtigen Zusammenhang konnte ich aber nicht herstellen. Für definierte Verhältnisse und Versuche bräuchte man wohl einen Klimaschrank.

Bei einem Tuner habe ich festgestellt, daß auch im offenen Zustand nach 10 Minuten eine starke Drift (mehr als 20kHz) der Oszillatorfrequenz nach oben stattfindet. Ungewöhnlich meiner Meinung nach deswegen, weil eine Erwärmung der Schwingkreisbauteile im offenen Zustand kaum stattfinden sollte. Messungen mit einem Termoelement haben aber am Kern von L63 oder im innern von C64 eine Temperaturerhöhung von ca. 15°C ergeben. Beide Bauteile sind nicht direkt mit der Röhre verbunden und werden hauptsächlich nur angestrahlt. Eine mögliche Erklärung wäre, daß im Betrieb in den Bauteilen eine Verlustleistung umgesetzt wird, die zur Eigenerwärmung führt, aber welcher Effekt wäre das?

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.