Notradio Raki und seine Geschichte

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Notradio Raki und seine Geschichte 
25.Jan.08 18:28
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Franz Born † (D)
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Franz Born †


Im Jahr 2005 erhielt unser Radioverein ( Fördergesellschaft Rundfunk- und Tonbandmuseum Köln e.V.) das Angebot, wegen einer Geschäftsaufgabe, Schaltbildunterlagen zu übernehmen. Da mir der Firmenname aus meiner jahrzehntelangen Tätigkeit beim Philips-Service bekannt vorkam, wenn auch im Zusammenhang mit einer anderen Ortsangabe, war mein Interesse geweckt. Also fuhr ich die ca. 40 Km aufs Land in den Raum Düren. Schnell war die Sache mit der Ortsbezeichnung geklärt. Durch eine kommunale Neugliederung war der ursprüngliche Name verschwunden. Also handelte es sich um die Firma die in meiner Erinnerung „herumspukte“.
Meine Neugier galt nun besonders der Aufarbeitung der Firmengeschichte von Radio Dahmen in Höllen, heute einem Ortsteil von Tietz.
Fast beiläufig berichtete der Inhaber über die „serienmäßige“ Herstellung von Notradios in der Nachkriegszeit durch seine Firma, wodurch mein Interesse weiter gesteigert war.

   

Unter dem Markennahme Raki wurde in Höllen ein 3 Röhren Emgfänger entwickelt und gebaut. Das Gehäuse und das anfangs hölzerne Chassis wurde von der ortsansässigen Möbelschreinerei hergestellt. Je nach Verfügbarkeit der Bauteile, vor allem der Röhren, wurde das Gerät immer wieder angepasst. So waren für die Röhrenfassungen keine Löcher im Chassis vorgesehen, ein genügend breiter Schlitz über die gesamte Breite erlaubte die Befestigung der verschiednen Ausführungen die gerade verfügbar waren. Zu Beginn der Fertigung waren 2 bis 3 Mitarbeiter beteiligt die zwischen 3 und 5 Geräte pro Woche fertig stellten.
Später waren bis zu 25 Mitarbeiter beschäftigt, erinnert sich Herr Dahmen. Auch wurde das Chassis im Verlauf der Produktion auf Metall umgestellt.

   

In Absprache mit Herrn Dahmen reiste ich wenige Tage später erneut an, begeleitet von ein paar Kollegen unseres Vereins, zu einen ausführlichen Interview. Der Gesprächsverlauf wurde auf Tonband aufgezeichnet und zusätzlich fertigte unser Schriftführer ein Protokoll an.
Aus beiden Quellen stammt die nachfolgende Zusammenfassung des Gespräches vom 12.01.2005:
Die Fa. Dahmen war bis Ende 2004 ein traditionsreiches Handwerks- und Handelsunternehmen in dem kleinen Ort Höllen. Der jetzige Inhaber beendet die Betriebstätigkeit mit Erreichen des Ruhestandsalters, weil das heutige technische und vertriebliche Umfeld den Weiterbestand (in der bisherigen Form und an diesem Standort)
unwirtschaftlich macht.
Der Großvater war Schmied gewesen, in der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde ein wichtiger Beruf!
Er ergänzte den Betrieb durch eine Schlosserei.
Sein Sohn, geboren 1883, der Vater unseres Interviewpartners, war 1912 zum Wehrdienst in die Garde – Artillerie in Berlin gekommen. Dabei hat er im ersten Weltkrieg die Funktechnik kennen gelernt. 1919 aus dem Kriegsdienst zurück gekehrt, betrieb er die Schlosserei des väterlichen Unternehmens, die damals zu ca. 90% mit der Landwirtschaft verbunden war.
Es ging daher vorwiegend um die Instandhaltung und Reparatur landwirtschaftlicher Maschinen.
Als die neue Funk-Technologie in Form des Rundfunks in die allgemeine und private Nutzung überging,
erweiterten er und sein Vater 1923 die Firma um ein Radiogeschäft.
-- Immerhin kostete damals ein Radiogerät soviel wie ein Morgen Land!--

Überspringen wir nun einen Teil der Firmengeschichte und setzen wir nach dem 2. Weltkrieg wieder auf!
Mit Kriegsende 1945 war die deutsche Wirtschaft fast vollständig zerstört. Bevor die großen Firmen ihre Produktionsstätten wieder instandsetzen und / oder neue aufbauen konnten,
wurden viele dringend benötigte Haushaltsartikel in Heimarbeit und Handwerksbetrieben hergestellt.
Die wichtigste Grundlage dafür war das „Organisieren“ der Rohmaterialien. In den Vorratslagern der Wehrmacht und auch in den Industrieruinen war noch viel Brauchbares zu finden. Es entwickelte sich ein Beziehungsgeflecht „tüchtiger“ Verwerter, die der zweiten Säule der Notwirtschaft, den Heimarbeiten und Handwerksbetrieben, die benötigten Rohmaterialen beschafften. Darüber hinaus waren sie beim Vertrieb der Produkte „behilflich“.

   

Schlosserei und Rundfunktechnik im Hause Dahmen boten eine gute Ausgangslage für die Eigenfertigung von Rundfunkgeräten. Dazu kam der glückliche Umstand, dass ein fähiger Rundfunkingenieur, bedingt durch den Krieg, im Ort ansässig geworden war. Es handelte sich dabei um einen Philips-Mitarbeiter aus den Aachener Werken. Ein Herr Kisters aus Meersburg am Bodensee hatte diese ideale Kombination aus Entwicklungs- und Fertigungspotential erkannt und mit seinen Beziehungen erweitert. Aus dieser Quelle erhielten die Fa. Dahmen und auch weitere Produzenten der ersten Nachkriegszeit nötige Bauelemente zur Fertigung der Rundfunkgeräte.
Auffällig ist unter Andrem die Skala die sehr große Ähnlichkeit mit anderen Geräten der frühen Nachkriegszeit aufweist. Auch weist der Namenszug Raki Ähnlichkeit mit Kiraco auf.
Nach der Erinnerung des Herrn Dahmen wurden die Skalen für mehrere Gerätetypen im Frankfurter Raum hergestellt.

 
             

Mit dem Anlaufen der Industrieproduktion von Rundfunkgeräten wurde die Fertigung in Höllen aufgegeben. Man verlegte sich auf den Vertrieb der Fabrikgeräte und wurde zu einem erfolgreichen Radio- und später auch Fernseh- Fachgeschäft mit großem Einzugsbereich.

Wie viele Raki -Geräte insgesamt hergestellt wurden war nicht mehr zu ermitteln.
Das letzte Gerät, welches noch im Besitz von Herrn Dahmen war, wurde unserem Verein geschenkt, von ihm stammen die gezeigten Bilder. Die Bestückung bei diesem Exemplar besteht aus 6Z7 (KC8), 4Z60a und AL1. Mit welchen Materialen damals gearbeitet werden musste, kann man beim genaueren Betrachten der Bilder erkennen. So ist der Farbanstrich für den Skalenhintergrund nur so weit angebracht, wie er von außen eingesehen werden kann. Auch die verwendeten Befestigungswinkel sind nur soweit bearbeitet wie funktional erforderlich.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.