Rundfunkgerät mit Familiengeschichte

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ID: 382342
Rundfunkgerät mit Familiengeschichte 
02.Aug.15 20:08
1992
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Otto Kippes † 24.4.17 (D)
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Otto Kippes † 24.4.17

Wenn zu einem Sammlungsstück ein Bezug zur Familiengeschichte bekannt ist, wird aus dem anonymen Technikdenkmal ein persönliches Erinnerungsstück, auch für die Nachkommen. So wie bei meinem Minerva 405W.

Ein Stück Familiengeschichte

In den Sommerferien 1939 waren meine Eltern mit mir (8 Jahre alt) und meinem jüngeren Bruder Ludwig in Urlaub auf der Insel Grado. Es war ein schöner Urlaub, nur mein Vater war wohl sehr nervös: Er las dauernd alle verfügbaren internationalen Zeitungen, schweizer, französische, britische, die mit nur einem Tag Verspätung dort erhältlich waren.

Am letzten Tag unseres Urlaubs waren wir am Strand spazieren. Die Sonne ging blutrot im Meer unter. Da sagte mein Vater: „Es gibt Krieg“. Als Jurist an einem bayerischen Landratsamt wusste er, dass dort im Panzerschrank schon Mobilmachungsbefehle, Einberufungslisten und Lebensmittelkarten lagen.

Zurück in Deutschland gingen meine Eltern umgehend zu einem Radiohändler in Würzburg. Ihr altes Radiogerät - AEG Geadem mit getrenntem Lautsprecher, Baujahr 1931 – erlaubte keinen Fernempfang, aber meine Eltern wollten den Kontakt zur freien Welt behalten und schweizer, französische, britische Sender hören, nicht die „Reichssender“ der Nazis.

Von den großen deutschen Radiofirmen, Telefunken, Blaupunkt, Siemens, gab es keine Rundfunkempfänger mehr, die mussten ihre Produktion auf Wehrmachtfunkgeräte umstellen. Der Radiohändler beriet meine Eltern gut und empfahl ihnen ein österreichisches Gerät von Minerva. Dieses hatte einen ausgezeichneten Fernempfang auf Kurzwelle und war sehr robust und stabil gebaut, mit zuverlässigen Stahlröhren bestückt.

Mit diesem Gerät hörten meine Eltern während des ganzen Krieges „Feindsender“, Radio Beromünster brachte die Kriegsnachrichten sehr neutral, allerdings erst nach den schwyzer Inlandsnachrichten. BBC London übertrieb oft, ebenso die Soldatensender.

Später, nach der Landung der Alliierten in Frankreich, kamen amerikanische Sender für die deutsche Zivilbevölkerung dazu, die den Frontverlauf beschrieben. Außerdem wurden mit diesem Radio die „Luftlagemeldungen“ auf Langwelle gehört, auch 1945 bei der Zerstörung von Würzburg. Der fiel auch der alte GEADEM zum Opfer, mit dem meine Großeltern im Luftschutzkeller in Würzburg die Luftlagemeldungen gehört hatten.

Der Krieg ging vorüber, der Minerva wurde versteckt und blieb erhalten. Er begleitete uns bei mehreren Umzügen. Als wir in einen Ort zogen, der noch ein 110-Volt-Gleichstromnetz hatte, musste ein KACO-Wechselrichter gekauft werden, um den Minerva weiter zu nutzen. Mit der amerikanischen Besatzung kam ein neues Radioprogramm: AFN und wir hörten begeistert die Bigbands: Artie Shaw, Benny Goodman, Harry James. Die „Moonlight Serenade“ geht mir heute noch nicht aus den Ohren.
Erst nach vielen schwierigen Jahren konnten sich meine Eltern 1956 einen Philips Jupiter 463 leisten. Dafür hatte dieser dann schon UKW und mit einer „eisenlosen Endstufe“ einen hervorragenden Klang. Er ist noch in meiner Sammlung.

(Zusammengestellt nach meinen Erinnerungen, aus den Erzählungen meiner Eltern und den Tagebüchern meines Vaters. Bamberg, Juli 2015, Otto Kippes)

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