seibt: Piano, Reparatur/RestaurierungTeil 1
seibt: Piano, Reparatur/RestaurierungTeil 1
Das Gerät stammt aus einer früheren Werkstattauflösung und wurde zunächst für einen Lautsprecher gehalten. Doch dazu passten nicht die beiden seitlichen Knöpfe. Ein Blick in das Innere zeigte dann ein "Notradio ?". Die Identifizierung war etwas schwierig, da auf der Rückwand nur die Firma Seibt und kein Modell angegeben war. Ein Foto in Abele, Historische Radios, Bd. 2, Seite 141, brachte mich dann auf die richtige Spur. Dort wird das Gerät Piano abgebildet, allerdings angegeben mit der Röhrenbestückung VEL11. Da im RM.org 3 Varianten diese Gerätes angelegt sind, konnte eine hoffentlich richtige Zuordnung erfolgen.
Nun zum Zustand des Gerätes.
Bild 1, Chassisansicht von oben
Bild 2, Chassisansicht von unten
Auf den ersten Blick starke z. T. unqualifizierte Reparaturspuren. Dann aber fiel die höchst primitive Befestigung der Schwingkreisspule am Abstimmdrehko auf. Die Spule war mit isoliertem Schaltdraht, der durch die Hohlniete des Drehkos gezogen war, befestigt. Die Spulenanschlüsse waren mit Verlängerungsdrähten in die Schaltung eingebunden. So etwas war auch 1947 in einer industriellen Fertigung unwahrscheinlich.
Bild 3, Schwingkreis
Der Befestigungsdraht war vom gleichen Typ wie der der restlichen Verdrahtung. Das legt die Vermutung nahe, dass das Gerät später neu verdrahtet wurde. Eine Messung mit dem Griddipper zeigte Resonanz im Mittelwellenbereich. Der AEG-Stabgleichrichter, mit einem Befestigungsblech montiert, ist neueren Datums. Ob hier mal ein Selen-Plattengleichrichter montiert war oder ob wie bei der Piccolette II eine Selen-Patrone für freie Verdrahtung eingesetzt wurde ist unklar. Wahrscheinlich wechselten auch in der Fertigung der damaligen Zeit die Bauelementetypen je nach Verfügbarkeit. Zusätzlich waren über die alten Elkos neuere gelötet, wahrscheinlich zur Reduzierung des Netzbrumms. Der Vorwiderstand im Heizkreis hatte zwar den richtigen Wert aber wie sich später zeigte, war die Belastbarkeit zu niedrig. Die Netzzuleitung war bröselig. Dort wo der Selengleichrichter montiert war befindet sich ein Ausschnitt mit Bohrungen, der für eine P2000-Fassung passt. Allerdings wäre dann der Rückkopplungsdrehko im Weg. Möglicherweise war ja mal eine frühere Variante mit P2000 als Netzgleichrichter geplant wie beim Modell Piccolette I. Eine Inbetriebnahme war unter diesen Umständen nicht anzuraten.
Und jetzt wieder die Gewissensfrage: Restaurieren/Reparieren oder in diesem Zustand auf Lager legen. Wenn man davon ausgeht, dass das Gerät ohnehin neu verdrahtet wurde und der Originalzustand nicht mehr vorhanden ist, kann man es durchaus auch reparieren. Man hat dann wenigstens noch Spass daran gehabt. Und ob der Nachwelt damit gedient ist, wenn man solchen Murks archiviert, ist meiner Meinung nach doch eher zweifelhaft. Aber wie schon früher gesagt, die Meinungen gehen da auseinander und jeder kann mit seinen Radios machen was er will. Und so wurde dann "entkernt".
Die Lage der Bauelemente ergab sich durch die Anordnung der Lötösen fast von selbst. Dadurch wäre auch alles reversibel, sollte doch noch ein Original auftauchen. Eine genauere Untersuchung zeigte, dass bis auf die Röhren und 4 Original-Widerstände alle Bauteile defekt waren. Der Lautsprecher funktioniert relativ leise. Große Probleme bereiteten die beiden Drehkos. Es war zwar Kapazität zu messen, diese war aber nicht stabil bzw. reproduzierbar. Die Lagerung des Rotors war ausgeschlagen und es schien, als ob teilweise Plattenschluss vorlag. Bevor das richtig erkannt wurde waren Versuche mit dem Schwingkreis (z.B. mit DKE-Spule) zum Scheitern verurteilt. Ein Original-Drehko war nicht in der Bastelkiste aber ein 20 Jahre älteres Modell passte mechanisch und elektrisch. Ein VE-Schlachtchassis lieferte den RK-Drehko. Zum Schluss wurde dann doch die alte Schwingkreisspule verwendet. In der Bastelkiste fand sich der gleiche Spulenkörper mit einer Pertinax-Grundplatte. Diese Grundplatte sorgt nun für eine ordentliche Befestigung der Spule.
Bild 4, der neue Aufbau von unten
Bei all diesen Versuchen erwies sich die enorme Erhitzung und Geruchsentwicklung des Heizkreiswiderstandes als außerordentlich störend (und manchmal auch schmerzlich). Die Vermutung liegt nahe, dass die Belastbarkeit nicht ausreichend war. Aus frühen Basteleien mit der P2000 war mir der Vorschaltkondensator in Erinnerung. Auf die Erklärung der Berechnung (E-Grundlagen) verzichte ich hier, da die Herren Birkner und Roschy das hier und hier bereits ausführlich getan haben. Ein passender Entstörkondensator mit 1µF war schnell gefunden und auch diese Änderung ist leicht rückgängig zu machen.
Bild 5, der neue Aufbau von oben
Eine weitere Änderung habe ich beim Audion vorgenommen. Naturgemäs ist der Gitterkreis bei diesem Aufbau mit Pertinaxchassis extrem brummempfindlich. Mein Vorbastler hatte hier ein provisorisches Abschirmblech eingebaut. Ich habe die Gitterkombination nun in Parallelschaltung ausgeführt und den Widerstand in den Kondensator geschoben. Der äußere Belag des Kondensators muss natürlich an der Spule liegen und wirkt so als Abschirmung für den Widerstand.
Der letzte Schritt wird eine zeitgemäße Textil-Netzzuleitung und die Restaurierung des Gehäuses sein.
HDH
Edit: hellere Unteransicht hochgeladen. Ich vergaß noch zu sagen, dass das Gerät natürlich wieder so funktioniert wie ein 0v1 mit P2000 funktionieren sollte.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Seibt Piano, Gehäuse-Restaurierung Teil 2
Die Restaurierung des Gehäuses stellte an sich kein Problem dar da es recht gut erhalten war. Es sollen hier zwei einfache Möglichkeiten gezeigt werden die zu schnellen Ergebnissen führen.
Das Gehäuse hatte einen sehr hellen Farbton. Die Abbildung bei Abele zeigt ein wesentlich dunkleres Gerät. Unter den Knöpfen konnte man dann den ursprünglichen dunklen Farbton erkennen. Da keine Bearbeitungsspuren erkennbar waren, kann es sich nur um eine natürliche Alterung (starker Lichteinfall?) handeln. Der Bespannstoff war leicht verschmutzt und etwas ausgebleicht. Im unteren Bereich war der Stoff zerschlissen und eingedrückt. Man hätte es belassen können aber jede weitere Berührung hätte zum Reißen des Stoffes führen können.
1. Oberfläche
Für die schnelle, wenn auch nicht immer historisch korrekte Ausführung, bevorzuge ich Schellackpolitur. Das ist immer angesagt, wenn die Oberfläche keine Beschädigungen aufweist und nur stumpf ist. Früher habe ich normale Möbelpolitur benutzt doch das führt zu keinem dauerhaften Erfolg. Es dürfen keine Kunstharzlachschichten oder glänzende Lackschichten vorhanden sein, also eine eigenlich nur gebeizte Holzoberfläche. Das findet man kurz nach dem WK2 ziemlich oft.
Der erste Arbeitsgang ist immer ein leichtes Abschleifen mit Stahlwolle Körnung 000. Danach sollte die Oberfläche glatt sein. Das Aufbringen der Schellackpolitur mit einem Stoffballen ist oft beschrieben worden und erfordert etwas Übung, damit die Oberfläche nicht streifig wird. Ich habe mir einen länglichen Stoffballen gebaut um eine größere Breite abzudecken.
Bild 1 der längliche Stoffballen
In diesem Fall wurde die gesamte Gehäusebreite abgedeckt, was natürlich ideal ist. Nach Gebrauch wird der Stoffballen in einer hohen Saftflasche mit Schraubverschluss aufbewahrt. Das verhindert sicher ein Austrocknen und sichert schnelle Einsatzbereitschaft.
2. Stoffbespannung
Man hätte normalerweise eine neue Bespannung angebracht. Da aber die Beschaffung eines möglichst ähnlichen Stoffes immer schwierig ist habe ich hier eine Stabilisierungstechnik angewandt. Ein Ablösen und Waschen kam natürlich nicht in Frage, das hätte der Stoff nicht überstanden. Deswegen wurde er nur abgebürstet. Aus Fliegengaze, die es mittlerweile aus steifen Kunststoff gibt, wurde ein passendes Stück zugeschnitten und hinter den alten Stoff geschoben.
Bild 2, Bespannstoffversteifung mit Fliegengaze
Das geht deshalb, weil der Stoff meistens nicht bis zum Rand verklebt ist. Wenn nötig, kann man an den Seiten mit etwas Holzleim fixieren. Wenn man wirklich nur ganz wenig nimmt (es darf nicht durchweichen) fällt das nicht auf, da der Leim fablos trocknet. Nun kann der Stoff nur noch mit Gewalt nach innen gedrückt werden.
Hier noch ein Vergleich des alten mit dem restaurierten Gehäuse
Bild 3, Gehäuse vorher
Bild 4, Gehäuse nachher
Mehr muss bei so einem Gerät nicht gemacht werden. Auf dem Foto wirkt es jetzt schon leicht überrestauriert. Die Fotodarstellung ist aber optimistischer als die Wirklichkeit. Z.B. ist das Gehäuse durch die Holzmaserung eher matt als glänzend.
HDH
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.